Meine aktuelle Weihnachtsgeschichte 2020

nach Art von Charles Dickens Weihnachtsmärchen

Tag 1

Paula sitzt seit Stunden und grübelt über die letzte Woche nach. Es sind keine erfreulichen Gedanken und auch sonst passt das Wetter nicht zu der Vorweihnachtszeit. Eigentlich sollte es schneien und überall weiß auf den Tannenspitzen leuchten, wovon schöne alte Weihnachtsgeschichten aus einer heilen Welt erzählen. Aber die Realität sieht anders aus. Draußen ist es grau in grau und es tröpfelt von den schweren Wolken an ihr Fenster herunter. Die Straßenlampen gehen an und der Regen an den Scheiben verwandelt sich in glitzernde Wasserflüsschen. Je länger sie in ihrem Schaukelstuhl sitzt und nach draußen schaut, je dunkler wird es im Zimmer um sie herum.

Durch die langsame schaukelnde Bewegung und das Dämmerlicht kippt auch langsam ihre schlechte Stimmung und die aufgebrachten Wogen ihres Gemütes glätten sich ein wenig. Ihr Gedankenkarussell kommt etwas zur Ruhe. Tatsächlich kann sie sogar etwas Abstand davon nehmen und die unangenehme Situation von oben betrachten.

„Was für eine verfahrene Situation. Wie konnte es soweit kommen? Warum hat sie das zugelassen und mitgemacht?“, denkt sie….“, aber was hatte sie denn auch für eine Chance und alle anderen haben ja Recht! Das Virus kann für manche Menschen sehr gefährlich sein!“

Was passiert ist, ist passiert. Sie kann es nicht mehr rückgängig machen.

Angefangen hatte das ganze Dilemma bereits im Frühling. Wo kam diese Seuche auf einmal her? Die Medien sprechen von Übersee?  China… ist doch weit weg…. Wieso kommt dieses Virus bis vor meine Haustür?“ denkt Paula.

Zuviel grübeln macht müde und ohne dass sie es bemerkt, nickt sie ein.

Jedoch nur kurz!

Was war das!

Erschrocken zuckt sie zusammen und fühlt, dass ihr Bein anfängt zu krampfen.  Es ist komplett dunkel geworden und es regnet immer noch. Da war ein anderes Geräusch, als das Trommeln der  Regentropfen. Sie beginnt den Raum mit ihren Augen abzuscannen. Die Deckenstrahler hatte sie leider nicht angemacht und von der Straßenlampe, die durch das Fenster scheint, kommt nur trübes Licht herein.

Da war es wieder. Sie hört es erneut, dieses Geräusch, was sie geweckt hat. Ihr Kopf wendet sich zum Sofa, denn von rechts hört sie es. Es klingt, als wenn sich jemand oder etwas auf ihre Polster nieder lässt. Und tatsächlich. Undeutlich zeichnet sich ein Schatten, der dort nicht hingehört,  auf ihrem Zweisitzer ab. Ein eiskalter Schauer läuft ihr den Rücken herunter. Ihre Härchen auf den Armen stellen sich auf. Die Atmosphäre im Raum hat sich fühlbar verändert.

Paula nimmt allen Mut zusammen und will aufspringen und das Licht anknipsen, doch ihr verkrampftes Bein hält sie davon ab und sie stürzt fast zu Boden. Sie schaut erneut zu ihrer Sofaecke und hofft, dass sie sich alles nur einbildet.

Leider nicht. Der Schatten beobachtet sie still, bewegt sich kaum. Hilfe, denkt sie, ich werde überfallen und jemand will mich ausrauben oder noch Schlimmeres, worüber ich besser nicht nachdenke, antun. Warum habe ich jetzt mein Handy nicht griffbereit?

Paula zieht sich wieder in den Schaukelstuhl,  nimmt all ihren Mut zusammen und fragt leise mit zittriger Stimme: „Was willst du?“

Keine Antwort, jedoch auch keine Reaktion. Die Gestalt verschwindet nicht vor ihren Augen, was sie bestenfalls gehofft hat…. bewegt sich jedoch auch nicht von der Stelle.

Nochmals traut sie sich und spricht das schwarze Etwas an: „Wer bist DU?“

Jetzt folgt endlich die erhoffte Reaktion, wenn auch nicht so, wie sie es erwartet hat.

Ein tiefe volltönende Stimme schallt laut zurück, sodass sie erschreckt zusammenzuckt:

 „Ich bin der Geist der vergangenen Weihnacht!“

Hä, was war das denn jetzt für eine Antwort. Bin ich hier im falschen Film, will mich jemand verarschen, denkt Paula und wird im gleichen Augenblick scharf zurück gewiesen:

„Ich bin die Erinnerung der Geschichte. Mich gibt es seit Jahrtausenden und ich werde bleiben, wenn ihr schon längst wieder Vergangenheit seid“

Verängstigt mag die junge Frau ihre Gedanken nicht mal mehr denken, die ihr in den Kopf schießen. So fragt sie vorsichtig noch mal: „Was willst du von mir?“

Sie hat das Gefühl, das das schwarze Ding sie durchdringend anstarrt, auch wenn sie keine Augen sehen kann.  Irgendwie hört sie auch die Stimme mehr innerlich, anstatt mit ihren Ohren. Jetzt beginnt auch noch der Raum zu flirren. Ihr wird schwindelig, doch sie hat keine Möglichkeit zu fliehen, alles geht so schnell. Plötzlich ein Blitz und sie befindet sich irgendwo ganz wo anders.

Paula steht auf einem großen Platz zwischen Hunderten von Leuten. Dicht gedrängt jubeln diese jemandem zu, der auf einem Balkon eine wortgewandte Rede hält. Alle streckten plötzlich einen Arm gen Himmel und schreien: „Heil!“

Oh Gott, Paula fängt fast an zu zittern. Diese Situation kommt ihr bekannt vor. Davon hatte sie unzählige Filme gesehen. Das kann doch nicht sein. „Wo bin ich?“, denkt sie. Die Kleidung der Leute sieht aus, als ob ich mich in den dreiziger oder vierziger Jahren befinde. In der Schule hatte sie davon gehört, dass es solche Versammlungen gab. Das viele Menschen die Reden eines Mannes gehorchten und diese, ohne großartiges nachzudenken, folgten. Als Kind durfte sie ihre Großeltern nie nach damals fragen. Opa wechselte sofort das Thema und sagte, „Du bist zu klein“, doch sie spürte sofort die Angst, die dann bei beiden aufkeimte und lies das Thema sein.

Jetzt, so unrealistisch wie ihre Situation nun auch sein mochte, spürt sie diese Angst bei vereinzelten Menschen um sie herum. Jedoch gleichzeitig ein geballtes Machtgefühl, das nur in einer Gruppe spürbar ist.

Ohne Ankündigung wird sie wieder in eine neue Situation katapultiert. Ein kleiner Weihnachtsbaum mit drei Strohsternen und eine Kerze befinden sich in diesem Raum. Eine Familie von vier Personen sitzt um einen Tisch. Die Mutter versucht krampfhaft eine weihnachtliche Stimmung aufkommen zu lassen, doch Paula merkt ihr und auch den drei Kindern an, dass es nicht funktioniert.

„Wo ist Papa jetzt? Warum kann er nicht bei uns sein?“, fragt die kleinste der drei Mädchen. Und Paula beobachtet, wie die Älteste mit einem Blick auf ihre Mutter versucht, die Kleine zum Schweigen zu bringen. Doch die geschätzte Sechs- bis Siebenjährige versteht einfach ihre Welt nicht mehr und die Fragen sprudeln weiter aus ihr heraus.

„Warum darf ich nicht mehr mit Ruth spielen, sie ist doch meine beste Freundin? Im letzten Jahr haben wir doch alle noch gemeinsam Weihnachten gefeiert. Wir hatten so viel Spaß und Papa und du ihr habt doch immer mit Ruth´s Eltern gemeinsam Karten gespielt. Warum tust du so, als ob du sie nicht mehr kennst, Mama? Sie haben dir doch gar nichts getan!“

Ein erneuter Blitz zuckt vor ihren Augen und Paula ist, wieder in ihrem Wohnzimmer.

Heimlich reibt sie sich die Augen, denn ihre Tränen kann sie nicht unterdrücken und die fließen trotz geänderter Zeit- und anderem Raum…. Sie hätte der Kleinen ihre Fragen beantworten können, Paula kennt die Antworten auf deren Fragen!

Die schwarze Gestalt ist immer noch bei ihr und fragt nun deutlich: „Warum zeige ich dir das, Paula? Denke darüber nach…!“  Mit diesen Worten verschwindet der Geist der vergangenen Weihnacht.

Paula springt auf, schaltet das Licht an und ungläubig schaut sie sich um.

War es ein Traum? Hat sie sich das Ganze nur eingebildet? Was war DAS?

Ihr Telefon klingelt und holt sie zum Glück komplett in die Realität zurück. Ihre Oma ist am Apparat.

Paula fragt ohne nachzudenken: „Oma, bereust du etwas in deinem Leben?“

Oma Gretel ist zwar überrascht über diese Frage, muss jedoch interessanterweise nicht lange nachdenken: „Ja, mein Kind, wenn ich die Uhr zurück drehen könnte, dann hätte ich mehr Mut gehabt und meinen Mund öfter aufgemacht. Bei oder in verschiedenen Situationen in meinem Leben, hätte ich früher aufstehen und gegen Unrecht sprechen müssen, als ich es beobachtet hatte!“

Bevor Paula antworten kann, fragt ihre Großmutter nach einem Ei, sie möchte einen Kuchen backen und lädt auch gleichzeitig zum morgigen Kaffeetisch bei ihr nebenan ein.

 

Tag 2  

War schon komisch, was ihr gestern gegen Abend passiert ist, doch der heutige Tag ist so stressig, dass Paula nicht weiter darüber nachgedacht hat. Ihre Oma wollte ihr beim Adventskaffee lieber vom neuesten Klatsch ihres Strickclübchen erzählen, so hatte sie keine Möglichkeit, um unbequeme Fragen stellen zu können.

 

Müde fällt Paula abends in ihr Bett und schläft auch auf der Stelle ein…. bis ihr Radiowecker sie plötzlich unerwartet mit lauten futuristischen Klängen weckt. Sie sitzt senkrecht im Bett und haut auf die Uhr, die auf die Sekunde genau Mitternacht anzeigt.

Ruhe!

Paula will sich schon wieder auf die andere Seite drehen und weiter schlafen, doch ihr Radiowecker ertönt erneut. Sie hat doch gar keine Snoozetaste und dann diese komische Musik…. was soll das denn schon wieder? Erneut will sie auf den Button hauen, doch ihre Hand hält mitten im Schlag erschrocken inne. Aus der hinteren Zimmerecke schimmert ein bläuliches Licht. Das gehört da nicht hin.

Nicht schon wieder denkt sie… und wieder hat sie kein Handy in ihrer Nähe, um jemanden anzurufen. Wieder ist sie allein. Das blaue Licht fängt nun auch noch an zu pulsieren. Immer schneller, passend zu ihrem Herzschlag, der mit steigender Angst ebenso schneller wird.

Das Licht wird greller und sie kann nicht mehr hineinsehen.

Doch da ertönt eine helle kreischende Stimme aus dem Licht: „Paula – schau hin!“

„Oh, nein, wieso kennt DAS ETWAS meinen Namen? Was ist es jetzt schon wieder? Die Stimme ist anders, als der gestrige Spuk!“

Erschrocken fragt sie:“ Was willst du von mir?“

„Ich bin der Geist der zukünftigen Weihnacht  und werde dich mitnehmen!“

Ehe Paula überhaupt etwas dazu sagen oder denken kann, befindet sie sich bereits in einem anderen Haus.

Sie hört schöne Weihnachtsmusik und sieht einen wunderschönen geschmückten künstlichen Tannenbaum mit vielen Geschenken darunter. Puh, atmete sie erstmal hörbar aus, dieses Mal kann es nicht so schlimm werden, denkt sie. Doch dann schaut sie sich genauer um. Der Raum ist hübsch, jedoch für ihren Geschmack etwas zu steril eingerichtet. Die Familie die hier wohnt scheint nicht zu den armen Leuten zu gehören.

In der Mitte des Wohnzimmers steht ein festlich gedeckter Tisch… komisch empfindet sie allerdings die auf Hochglanz polierten Glasscheiben, womit die einzelnen Plätze ordentlich abgetrennt sind.

Nun hört sie Stimmen und die Tür öffnet sich. Paula beobachtet, wie wahrscheinlich Vater, Mutter und ein Junge im Teenageralter hinein kommen. Paula fröstelt. Es fühlt sich kalt an, trotz heimeliger Musik und schöner Umgebung. Still beobachtet sie den weiteren Ablauf. Sie persönlich wird nicht wahrgenommen, wahrscheinlich ist sie durchsichtig für die anderen. Der Junge stürmt zum Baum und packt sich das erstbeste Geschenk und reißt ohne Freude das Geschenkpapier kaputt, schaut sich kurz den Inhalt an und schmeißt ihn zur Seite. Ein Paket nach dem anderen wird genauso weiter aufgerissen, kurz angeschaut und zur Seite geschoben. Paula sieht ein Notebook und darauf klebt ein Brief.

Sie hört den Mann sprechen: „Lies doch den Brief, Lars, er kommt von deinen Großeltern!“  Lars, der schon längst beim nächsten Paket ist, hat keine Lust dazu: „Gleich, ich muss erst noch die drei letzten auspacken. Der Brief bleibt mir noch!“ Paula beobachtet den Vater und es schien ihr, als ob ein kleiner resignierter Blick auf sein Gesicht huscht. Die Frau schaut gar nicht erst hoch, stattdessen lieber die ganze Zeit konstant auf ihr Handy. Was Sohn und Mann treiben, interessiert sie nicht. Alles unterm Baum ist ausgepackt, überall liegen Papier und eine Unzahl Geschenke wild durcheinander. Lars scheint nicht zufrieden zu sein und glücklich wirkt keiner der drei Personen.

Paula sieht, wie sich der Mann langsam der Frau nähert und versucht diese zu umarmen, um frohe Weihnachten zu wünschen. Sie jedoch, weicht sofort einen Schritt zurück und schaut entsetzt an die Zimmerdecke. „Lass das, du weißt doch, dass wir jede Zeit beobachtet werden können!“ Paula folgt ihrem Blick und sieht nun die Kamera, die in die Decke eingelassen ist.

Lars reißt seinem Vater den Brief aus der Hand und liest laut die Zeilen vor, die darauf stehen.

„Lieber Lars! Wir wünschen dir und deinen Eltern frohe Weihnachten. Wie schade, dass wir nicht bei euch sein können. Vielleicht sehen wir uns im nächsten Jahr zu Ostern, wenn es die Zeit deiner Eltern hergibt und die Hygienegesetze es erlauben. Du musst es verstehen. Ein miteinander Leben ist zu gefährlich und für uns ältere Menschen noch mehr, als für euch Junge. Unsere Körper sind leider in den letzten Jahrzehnten immer angreifbarer geworden für verschiedene Formen von Viren und Bakterien. Im nächsten Jahr gibt es bestimmt wieder ein neues Medikament und dann haben wir wieder die Chance uns zu sehen. Wir wünschen dir viel Spaß mit deinem neuen Computer. Deine Oma und Opa“    

Lars faltet den Brief wieder zusammen, steckt ihn in den Umschlag und schmeißt ihn auf den großen Haufen der anderen Geschenke.

„Ich habe Hunger!“ war sein einziger stumpfer Kommentar.

Dass sein Vater eine Träne verdrückt, sieht er nicht. Seine Mutter hat erst gar nicht zugehört und reagiert nun auf das Wort „Hunger“.

„Wird auch Zeit, den Truthahn mache ich nun schon zum zweiten Mal wieder heiß und auf der Verpackung steht, man darf ihn nur einmal auftauen und in der Mikrowelle erwärmen. Hoffentlich schmeckt er noch und hoffentlich ist er noch steril genug für uns!“

Paula bekommt das Platznehmen zwischen den abgetrennten Scheiben noch mit, doch dann wird es nebelig um sie herum und ihr Bett empfängt sie unerwartet wieder.

Sie fühlt eine innere traurige Müdigkeit.

Das blaue Licht pulsiert weiter in der Ecke.

„Was war das für eine komische Reise?“, fragt sie sich und laut hört sie die schrille Stimme schreien:

„Paula, hast du ES gefühlt?“ ….

und mit dieser Frage verschwindet das blaue Licht und ihr Zimmer liegt wieder im Dunkeln.

Schnell springt sie aus dem Bett und rennt in das Schlafzimmer ihrer Eltern. Eigentlich ist zu alt zum Kuscheln mit ihren 23 Jahren, doch jetzt braucht sie die Nähe ihrer Eltern. Diese rücken im Halbschlaf näher an ihr erwachsenes Kind heran, das sich in die Mitte des Bettes zwängt, wundern sich etwas und nicken wieder ein. Paula jedoch genießt die wohlige Wärme die ihre Eltern verbreiten.

Das ist es, schießt es ihr durch den Kopf. Sie hatte nur Kälte, Angst, Kontrolle, Resignation, Egoismus und Abgestumpftheit bei den drei Bewohnern der Zukunft gespürt, vielleicht ein klein wenig Traurigkeit an dem Mann, aber da war kein Funken Liebe in dem Familienleben.

„Ich liebe euch, Mama und Papa!“ und dann schläft sie wieder ein.

 

Tag 3

Als sie am nächsten Morgen erwacht, fühlt sie sich gerädert von dem beengten Liegen zwischen den Matratzen der Eltern.

Komischer Traum… oder war es eine Art Vision… sie weiß es nicht, auf jeden Fall war es nicht schön. Was wollte mir der Geist der zukünftigen Weihnacht damit sagen und warum hat er mit das gezeigt? Paula denkt nach und während sie aufsteht und sich im Bad fertig macht, geht ein Geistesblitz durch ihren Kopf.

Habe ich meine Nachbarn nicht genau aus dem Grund bloß gestellt und verurteilt, weil sie so komisches Zeug faseln von Kontrollregime und das der einzelne Mensch keine Meinungsfreiheit mehr haben darf und das wir angeblich alle durch die Medien beeinflusst werden?

Kann es sein, dass sie vielleicht genauso eine Angst verspüren, nur vielleicht nicht unbedingt vor der Krankheit, sondern vor politischen Entscheidungen, vor einem wirtschaftlichen Crash und neu eingeführten Regeln und Gesetzen?

Paula bekommt ein schlechtes Gewissen: „War es richtig, sie öffentlich bloßzustellen und als unsozial zu verurteilen! Die Frau hatte doch immer ein offenes Ohr für mich und ich weiß, dass das Paar immer geholfen hat, wenn irgendwo Not in der Welt war, ob hier vor Ort oder weiter weg. Vielleicht bin ich einfach nur auf einen Zug aufgesprungen, weil die Mehrheit der Leute sagen, dass es nur eine richtige Handlungsweise gibt, mit dem neuartigen Virus umzugehen und dass man daran nicht zweifeln darf.

Sie stellt die Dusche an und lässt sich vom warmen Wasser berieseln. Die Glastür beschlägt und sie lehnt ihre Stirn an das kühle Glas. Doch diese beginnt zu wackeln. Paula weicht erschreckt zurück.

Auf dem nebeligen Dunst sieht sie nun, wie ein einen Schriftzug erscheint. Sie liest:

„Die Wahrheit liegt in der Mitte!“

Paula fühlt keine Angst, obwohl es nun schon zum dritten Mal echt spuki in ihrem Leben ist. Sie spürt, da meint es jemand gut mit ihr. Sie sieht niemanden, auch als sie das Wasser abstellt und die Tür öffnet. Niemand und auch kein Etwas, einfach nichts Anderes befindet sich im Badezimmer.

Aber innerlich hat sie das Gefühl, das war der      Geist der Gegenwärtigen Weihnacht!

Der fehlte noch, schließlich war der aus der Vergangenheit und der aus der Zukunft bereits dagewesen.

„Die Wahrheit liegt in der Mitte“, noch kann sie die Worte lesen, noch stehen sie an ihrer Tür der Dusche. Sie liest den Satz nochmal laut vor und lässt ihn auf ihrer Zunge zergehen.

Eigentlich sagt man auch „goldene Mitte“ und oft ist die Lösung eines Problems wirklich in der Mitte zu finden, so denkt Paula weiter. Die Gedanken sprudeln weiter: „Wenn beide Parteien aufeinander zugehen, wenn sie die andere Seite zu Wort kommen lassen, Verständnis bekommen und zur gleichen Zeit nicht auf ihre komplette Meinung bestehen, dann kann meistens eine Lösung gefunden werden. So werden Kriege verhindert und Streitigkeiten geschlichtet.“

Paula denkt weiter: „Die Mitte kann auch auf unser verkorkstes Jahr übertragen werden. Irgendwie haben alle Denker ihre Berechtigung. Das Virus ist gefährlich, Menschen haben Angst davor und man sollte es auf jeden Fall ernst nehmen. Aber genauso haben Menschen ein Freiheitsbedürfnis, die einen mehr, die anderen weniger und in einer Demokratie sollten Entscheidungen von oben auch hinterfragt werden dürfen.

Während sich Paula ankleidet, fällt ihr Blick auf ihre Kommode. Dort liegt noch ihre rosa Sonnenbrille vom Sommerurlaub. Hatte sie nicht jedes Mal ein wunderbares schönes und glückliches Gefühl, wenn sie diese Brille getragen hat. Ihr Blick sieht dann irgendwie mehr die positiven Dinge des Lebens. Sie setzt die Brille auf.

Sofort strömt eine schöne Erinnerung von Strand und Meer und damit eine geballte positive Energie in ihr Herz. Sie muss lächeln und weiß, alles wird gut. Irgendwie geht es immer weiter.

Sagt ihre Oma nicht bei jeder Gelegenheit: „Angst ist kein guter Berater!“

Damit ist sie doch bis dato gut gefahren.

Laut spricht sie: „ Ich mag meine Nachbarn und habe keine Lust, mit ihnen in Streit zu geraten, nur weil ich eine andere Meinung habe. Ich werde nachher kurz rüber gehen und ein paar selbstgebackene Weihnachtsplätzchen vorbei bringen. Mir ihre Gründe für ihr Verhalten und ihre Einstellung in Ruhe anhören, meinen Teil dabei denken und dementsprechend beidseitig informiert angstfrei, klug und solidarisch handeln.

 

Ein wundervolles gegenwärtiges Weihnachtsfest

wünscht Iris Bittner

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