Locker flockig habe ich vor einigen Wochen https://www.andrea-brandt.com zugesagt im Überschwemmungsgebiet zu helfen.
Mit zwei anderen lieben Frauen bin ich in der letzten Woche ins Ahrtal gefahren.
Einige Tage sind seitdem vergangen und jetzt kann ich endlich meine Eindrücke in Worte fassen.
Für mich sah es nach wie vor wie in einem Kriegsgebiet aus. Dazu muss ich schreiben, dass ich noch in keinem war. Es ist nur meine Beschreibung für die Zerstörung. Die Bilder von der Katastrophe im Fernsehen zu sehen, dann im Vergleich real vor Ort, ist doch ein mentaler Unterschied.
Die ersten massiven Schäden sind zwar beseitigt, indem die Schuttmengen abtransportiert und Straßen und Böschungen provisorisch wiederhergestellt, doch im kompletten Gebiet sieht man die Gewalt und Kraft der Natur weiterhin.
Mir ist in diesen Tagen bewusst geworden, was die Menschen für persönliche Verluste erleiden. Viele Betroffene haben Angehörige verloren. Andere ihr Hab und Gut. Noch immer werden zwei Menschen vermisst.
Wie die Opfer ihre privaten Erlebnisse verarbeiten sollen, das steht auf einem unbeschriebenen Blatt Papier.
Die ehrenamtlichen Helfer der DZN haben das Haus von einer jungen Familie komplett von außen und innen entkernt. Dabei hat Thilo ein Interview mit dem Hausherrn geführt. Er und seine hochschwangere Frau mit zwei jährigem Kind, konnten sich nur vor den Wassermassen retten, indem sie die Nacht auf ihrem Dach verbracht haben. Von dort mussten sie in Dunkelheit Allerei hören. Von Angstschreie der Nachbarn, das laute Knallen von platzenden Erdöltanks, das laute Krachen von entwurzelten Bäumen und das Getöse von zusammenstoßenden Autos, niedergerissenen Brücken und Sonstiges, was die Flutwelle mitgerissen hat.
Jetzt ist er dankbar für die Hilfe, die er von den freiwilligen Helfern erhält. Er hofft, dass sich endlich die Versicherung bei ihm meldet. Die Familie, wie die meisten anderen Opfer, haben immer noch keinen Bescheid, wieviel Geld ihnen für die Instandsetzung ihres Hauses zur Verfügung steht.
Verständlicherweise ist es auch für Versicherungen nicht einfach alle Schäden zeitnah abzuarbeiten, denn Papiere und Nachweise sind im Wasser vernichtet. Schwer, so stelle ich mir es persönlich vor, Betroffenen zu sagen, dass sie gar nichts bekommen, weil sie die zusätzliche Elementarschadenversicherung nicht abgeschlossen hatten. Es ist ein gigantisches Desaster für alle. Jedoch bedarf es vor Ort schnelle Taten. Die Menschen müssen wissen, wie es weiter geht.
Freiwillige, jeglichen Alter und Berufsstand aus ganz Deutschland, entkernen die vollgezogenen nassen Häuser.
Die Gemeinde Rupperath, ein rund 440 Seelendorf, hat ihr Gemeindehaus für die Ehrenamtlichen zur Verfügung gestellt. Ein Landwirt überlässt für eine unbefristete Zeit seine Wiese für die Autos mit Dachzelten.
Da ich kein Camper bin und das passende Fahrzeug nicht besitze, war für mich ein Schlafplatz im Matratzenlager reserviert. Christa, Petra und ich haben mit anderen Mitschläfern im Chor mehrstimmig geschnarcht.
Tief beeindruckt hat mich, die phänomenale Struktur, der Teamgeist und die ständige positive Laune der Organisatoren.
Mit einfachen Handys, Laptops und Exel managen sie die ständig wechselnde Situation. Ein Musterbeispiel für ein Startup Unternehmen.
Jeden Tag kommen und gehen neue Menschen.
Täglich wird das Kernteam Thilo Vogel, Dennis und Andrea Brandt, Bastian, Vanessa, Lisa und noch einige ungenannte fleißige junge Leute mit ähnlichen gleichen Fragen bombardiert. Hammer, diese Geduld muss man erstmal haben! Wüsste nicht, ob ich sie hätte!
Damit der Ablauf funktioniert, steht das WIR- Gefühl an erster Stelle. Abends wird im Stuhlkreis der Tag der drei verschiedenen Gruppen – mehrere Baustellen – Camp- und Küchenteam – sowie interessante Nachrichten besprochen. Das Positive erhält Beachtung.
Was ich zusätzlich als großartig und schreibenswert finde, ist der Austausch der Hilfsgüter untereinander. Wenn ein Lager einer Hilfsorganisation zu viele Bauhandschuhe gespendet bekommen hat und die DZN haben zu viele Karotten, dann wird ganz einfach getauscht. Keine Spende soll umsonst gesponsort sein und nichts vergammeln.
Einen Presslufthammer in die Hand zu nehmen, um den Putz von den Wänden zuhauen, traute ich meinen Knochen nicht zu.
So viele Kartoffeln, Möhren, Weißkohl, Kürbisse und andere Gemüsesorten, hat wahrscheinlich keiner von uns Küchenfeen je geschält. Wir hatten Spaß dabei.
Täglich verpflegen die Dachzeltnomaden rund zusätzliche vierzig Personen aus der Gemeinde Insul mit einer warmen Mahlzeit. An Wochenenden sind es noch mehr hungrige Betroffene. Dorfbewohner verteilen die Mahlzeiten direkt an die Haushalte.
Grundsätzlich sind wochentags sechzig bis siebzig fleißige Freiwillige vor Ort. An Wochenenden kommen meistens um die hundert Menschen aus ganz Deutschland zum Helfen.
Die Küchenausstattung hat sich an die Menge der Leute angepasst, jedoch darf man sich auf keinen Fall eine Großküche vorstellen, schließlich ist und war es ein Gemeindehaus.
Auch ich habe mich an vier Töpfen gleichzeitig getraut um Bolognese zu braten. Ich ziehe den Hut vor Köchen in der Gastronomie! Es ist stressiger, als ich dachte für hundert Personen zu kochen.
Zu den Küchenteamaufgaben gehörte es die Brote liebevoll zu schmieren, die mittags auf den Baustellen verspeist wurden. Hier wird nichts mit schlechter Laune gemacht, auch nicht das Putzen der Toiletten oder des Duschwagens. Es ist Ehrensache und halt für einen guten Zweck. Für die Gemeinschaft und zum Wohle der Ahrtalbewohner.
Die Bürger vor Ort packen mit an, um ihre geschädigten Nachbargemeinden zu helfen. Unternehmen spenden, jedoch wird immer noch einiges benötigt, damit sie ihre Arbeit fortführen können. Momentan mangelt es an Bautrocknern! (Achtung – Wink mit dem Zaunpfahl!)
Weiterhin werden freiwillige Helfer gesucht. Für jede Fähigkeit und Vorliebe ist eine Tätigkeit dabei. Anmeldungen bitte auf der Internetseite https://dachzeltnomaden.com/wir-packen-mit-an-das-wir-zaehlt/. Ich meinerseits kann nur sagen, diese Tage im Ahrtal waren eine sehr wertvolle Lebenserfahrung mit bleibenden Eindrücken.
Während ich diesen Blog schreibe, sitze ich in meinem trockenen und warmen Zuhause. Mein Blick wandert durch unser Wohnzimmer mit den selbstgemalten Bildern an den Wänden. Ich versuche mich herein zu fühlen. Wie es wohl ist, wenn man ALLES verloren hat?
DANKE, dass ich es nur DENKEN muss……
Positive Grüße
Iris